Mein Sommer auf der Alm

Livin‘ my Heidi life - Erfahrungsbericht von Helferin Kathrin

Schon lange hatte ich das vor. Eine Auszeit in der Natur, fernab meiner „echten“ Welt. Nur Berge, Kühe und Almwiesen. Im Januar fasste ich dann den Entschluss, dieses Jahr sollte es endlich soweit sein. Nach einiger Suche im Internet war klar, es wird Österreich werden. Nicht, weil mir Bayern nicht gefallen würde, sondern weil die Österreicher sich hier einfach besser vernetzt haben. Über die Organisation „Freiwillig am Bauernhof“ des Maschinenrings Österreich werden freiwillige Helfer an Bergbauernhöfe vermittelt, die dringend Hilfe benötigen. Ende Februar bekam ich die Nachricht vom Maschinenring, dass sie zwei passende Höfe für mich gefunden hätten. Nach vielen Absagen über andere Portale war ich in diesem Moment der glücklichste Mensch der Welt. 

Vorbereitungsphase

Die Suche hatte sich nicht einfach gestaltet, da viele lieber jemanden für den ganzen Almsommer und noch lieber jemanden mit Erfahrung wollten. Ich wusste zwar zuvor schon, dass ich mit Kühen kann, also nicht ganz grün hinter den Ohren bin, aber wirkliche Arbeitserfahrung hatte ich nicht. Zudem hatte ich meinen Aufenthalt auf vier Wochen Urlaub beschränkt. Einen ganzen Almsommer, der je nach Region und Höhenlage von Mai bis Oktober andauert, konnte ich nicht weg.

Meine Zusage bekam ein kleiner familiengeführter Biobauernhof in Prägraten am Großvenediger mit ein paar Milchkühen und Hühnern, bei dem Heu und Kartoffeln selbst angebaut werden. Nach einem ersten Telefonat mit Bäuerin Ursula war klar, das sind richtig liebe Menschen und egal was kommt, wir kriegen das mit einer großen Portion Zuversicht schon hin. Meine Wirkungsstätte sollte die dazugehörige Alm, ein gutes Stück entfernt vom Hof, auf 2000 hm sein. Ich wäre hier oben alleine, könnte aber im Notfall jederzeit Kontakt aufnehmen und falls ich einsam sein sollte, auch bei ihnen im Tal übernachten. Zu Ursulas großem Erstaunen entsprach das genau meiner Wunschvorstellung!

Der Einsatz am Bergbauernhof beginnt ...

Am 4. Juli ging es los, für vier Wochen. Ich würde für neun Jungtiere verantwortlich sein, die Milchkühe blieben zum Melken im Tal.

Im Vorfeld machte ich mir viele Gedanken. Was sollte ich mitnehmen? An Kleidung, Schuhen, Bergausrüstung, Notfallapotheke?
Ich wollte hier nicht mit meinem kompletten Hausstand anreisen, aber was würde wirklich wichtig und nützlich sein? Manche Dinge erwiesen sich als völlig unnötig, andere wären nützlich gewesen, an die ich im Vorfeld nie gedacht hätte. Schließlich war der große Tourenrucksack
aber gepackt, die Bergstiefel geschnürt und mein Auto bereit, sich auf den Weg nach Osttirol zu machen.

Am Hof angekommen wurde ich sehr herzlich empfangen. Ab der ersten Minute war klar, hier kann ich vollen Familienanschluss bekommen, wenn ich das möchte. Meine fünf Jungrinder und vier Kälber warteten bereits oben. Dorthin ging es jetzt auch für mich, zusammen mit Tochter Julia, die genauso alt wie ich ist. Sie zeigte mir den Weg, das Gelände, die Tiere und „meine“ Hütte. Diese bestand aus einem Wohnraum mit Holzofen zum Kochen und Heizen und einer Schlafkammer, in der auch die Lebensmittel aufbewahrt wurden. Draußen gab es noch den Stall, das Plumpsklo und den Brunnen ein paar Meter weiter. Ich fühlte mich ab der ersten Minute hier zuhause!

Die erste Nacht alleine auf der Alm war schnell vorbei und gut überstanden. Angst hatte ich hier oben keine, wovor auch.

Mein Tagesablauf ...

gestaltete sich in den folgenden Wochen meist ähnlich: Aufstehen, waschen, anziehen. Anschließend nach den Tieren schauen, was je nachdem wo sie sich gerade aufhielten, auch mal einen gut 30-minütigen Fußmarsch querfeldein den Steilhang rauf bedeuten konnte. 

Wenn dort alles okay war, ging es zurück zur Hütte, Frühstücken und Funken. Anschließend gab es immer was an Hütte, Stall oder Weiden zu tun. Büsche und Gräser, die den Elektrozaun störten, wurden ausgemäht, Zäune abgegangen und repariert. Totholz der Lerchen unter mir sammelte ich als Feuerholz, damit mir die Vorräte nicht ausgingen. Das schon vorhandene Brennholz musste gespalten und nachgefüllt werden. Abends trieb ich die Tiere zu entlegenen Stellen, wo das Gras noch saftig war. Danach wurde der Stall ausgemistet. Anschließend „duschte“ ich im Brunnen, bevor ich in der Hütte das Feuer anschürte, damit es rechtzeitig warm wurde und ich kochen konnte. Zum Abschluss des Tages setzte ich nochmal eine Funkmeldung ab, dann war Feierabend.

Gleich die erste Woche hatte es aber in sich. Zweimal brachen die Viecher aus und mussten wieder eingefangen werden, was anfangs eine große Herausforderung darstellte. Eines der Kälber begann zu humpeln, sodass der Tierarzt kommen und Medikamente und Stallruhe verordnen musste. Dies alles bedeutete zusätzlichen Aufwand, zusätzliche Zeit und Wege, die mir in der ersten Woche im doch sehr steilen Gelände noch schwer fielen.

In den folgenden Wochen lief dann alles etwas ruhiger ab. Ich kannte die besten Wege, wurde immer trittsicherer, meine Kondition wuchs und ich hatte auch meine Zeiteinteilung besser im Griff. Alle täglichen Aufgaben, die man sonst nebenbei erledigt, wie Waschen oder Kochen, dauerten hier einfach deutlich länger. Alles, wofür man den Ofen braucht,und sei es nur für warmes Wasser zum Abspühlen, braucht einen gewissen Vorlauf, den man mit einplanen musste. Zwischendurch wurde es auch einige Tage wirklich kalt hier oben. Das Thermometer zeigte nachmittags in der Spitze 10 Grad und nachts fiel es nahezu auf 0. Dazu war es oft regnerisch, sodass warme und zugleich trockene Kleidung und vor allem Schuhe Mangelware wurden. Da half nur sooft es ging, den Ofen einzuschüren und ja nicht ausgehen lassen!

Meine letzte Woche startete ziemlich nervenaufreibend. Am Montagmorgen fehlte das Kleinste der vier Kälber! Nach langer Suche konnte ich die Kleine schließlich am oberen Ende einer Felsspalte finden, aus der sie alleine nicht mehr heraus kam. Mit Hilfe vom Bauern und seiner Tochter konnte sie aber mit Seilen herausgezzogen werden. Zum Glück und zu meiner großen
Erleicherung hatte sie sich dabei nicht verletzt. Auf ihren eigenen vier Beinen lief sie zurück zum Stall, wo sie sich völlig erschöpft erst einmal ausruhen musste.

Außerdem half ich in der letzten Woche bei der Heuernte. Auch das eine völlig neue Erfahrung, bei der ich deutlich an die Grenzen meines Körpers und darüber hinaus kam. Das  Heuwenden und -rechen ist eine tolle Arbeit und macht viel Spaß. Das stundenlange Stehen im Steilhang hatte ich allerdings unterschätzt. Abends war kein Schritt mehr schmerzfrei möglich und ich hatte das Gefühl meine Fußsohlen lösen sich von meinem Körper ab. Was blieb, war am Ende aber das gute Gefühl etwas geschafft zu haben und nach 4 Tagen „Heumahd“ mit der Ernte des Bergheus fertig zu sein!

Eine unvergessliche Erfahrung

Während ich heute, am Tag danach, diesen Artikel schreibe, erholen sich meine Füße langsam. Mein Urlaub allerdings neigt sich dem Ende zu und ich werde bald die Heimreise antreten. Mit nach Hause nehmen werde ich unzählige Erfahrungen und Eindrücke. Vom Leben ohne die gewohnten Standards, der Arbeit mit den Tieren, aber auch wie es ist, vier Wochen fast alleine zu sein. Allein in dieser unbeschreiblichen Natur, Ruhe und Abgeschiedenheit. Für mich ist es ein einzigartiger Urlaub, den ich niemals vergessen werde und jederzeit wiederholen würde.

Kathrin Schulz, Freiwillige im Sommer 2020

FAQ: Über den Einsatz von Kathrin

Hattest du Strom? Ja, über eine Solarzelle bakam ich in begrenzter Menge Strom für Licht, zum Laden von Handy, Zaungerät und Stirnlampe.

Hattest du fließendes Wasser? Nur im Brunnen ca. 50 Meter außerhalb der Hütte. Dieser diente als Kuhtränke, um mich, meine Wäsche und mein Geschirr zu waschen, eingeschweißte Lebensmittel und Flaschen zu kühlen und zur Trinkwasserversorgung.

Haben die Kühe Namen? Erstmal: Als „Kühe“ werden nur die weiblichen Tiere bezeichnet, die schon ein Kalb geboren haben. Erst dann bekommen sie hier traditionellerweise einen Namen. Ich habe meinen Jungrindern aber Rufnamen wie Glöckchen, Ochsi, Bubi und Humpelchen gegeben.

Hast du dich einsam gefühlt? Entgegen meiner Erwartungen nur sehr selten. Ich habe die Einsamkeit eher genossen und hatte ja auch die Nähe zu den Tieren.

Was war das Schlimmste? Der Anblick des abgestürzten Kälbchens, aber auch die Kälte, die mich einige Tage begleitet und viel zu oft nach drinnen verbannt hat.

 

Über Freiwillig am Bauernhof

Freiwillig am Bauernhof vermittelt freiwillige Helferinnen und Helfer auf Bergbauernhöfe in Nord- und Osttirol. Seit dem heurigen Jahr wird das Projekt vom Maschinenring auch in der Steiermark und in Vorarlberg angeboten. Die Freiwilligen helfen gegen Kost und Logis am Bauernhof mit und bekommen einen Einblick in den bäuerlichen Arbeitsalltag.

Dein Kontakt für einen Einsatz in Tirol