Erfahrungsbericht Freiwillig am Bauernhof: Doro
Mitten drin im grünen Herzen Österreichs:
Vier Wochen „allround“ an Beates Hof in der Steiermark
Sobald die Melkmaschine anspringt, herrscht Gedrängel an der Stalltür. Jede der sechs Ziegen weiß: Während sie gemolken wird, darf sie Korn fressen, und davon kann keines genug kriegen. Der Ansturm auf das Korn macht den Ziegenwechsel an der Melkmaschine jedes Mal zu einem kleinen Abenteuer: Die eine will nicht zurück in den Stall, fünf andere wollen raus, und entsprechend robust muss die Sache an der Stalltür geregelt werden. Noch turbulenter wird es, wenn die vierjährige Yeva in ihrer Begeisterung für das Ziegenmelken bereits die Stalltür öffnet, während ich noch mit der Ziege an der Melkmaschine beschäftigt bin... Ziegenfangen wurde zu einem regelmäßigen Bestandteil meines vierwöchigen Einsatzes.
Neben den sechs Ziegen, einem Ziegenbock und drei kleinen Ziegen gibt es auf Beates Hof in der Steiermark 16 Gänse, 2 Schweine, 6 Hühner und 5-6 Katzen (so ganz hatte ich da nie den Überblick). Im Kuhstall stand zudem eine Kuh mit zwei Kälbchen, inzwischen sind drei weitere Kühe und ein Kälbchen von der Hochalm zurückgekehrt. Dass es so viele verschiedene Tiere in überschaubarer Anzahl gibt, macht den Stall attraktiv für die Gäste der Ferienwohnung, die es seit letztem Jahr auf dem Hof gibt: Viele Familien lassen sich durch den Stall führen und die Kinder sind begeistert, wenn sie bei der Stallarbeit mithelfen dürfen. Oft hatte ich als Helferin also wiederum meine eigenen kleinen Helfer.
Die Milch der sechs Ziegen verarbeitet Beate in ihrer Milchküche zu Ziegenkäse, den sie - wie auch ihr selbst gebackenes Brot - auf dem Hof verkauft; Bestellungen liefert sie auch aus. Alle mit dem Hof verbundenen Arbeiten, also auch den Betrieb der Ferienwohnung, leistet Beate neben ihrer Tätigkeit als Lehrerin. Ihr Mann geht ebenfalls tagsüber seinem Beruf nach, ist unter der Woche also erst gegen Abend wieder auf dem Hof. Zur Hofgemeinschaft gehören außerdem die eineinhalbjährige Tochter Josefine, Beates Onkel und eine Ukrainerin mit ihrer kleinen Tochter.
Fester Bestandteil meiner Tätigkeit als Helferin war die Stallarbeit, die ich jeden Morgen und Abend verrichtet habe. Das regelmäßige Füttern, Ausmisten und Melken strukturierte den Tag und wurde für mich zu einer geliebten Routine. Die Zeit dazwischen war gefüllt mit verschiedensten Arbeiten, die auf dem Hof und im Haushalt anfielen, z. B. Kräuter ernten und verarbeiten, Blumen setzen und pflegen, Aroniabeeren lesen, Türen abschleifen und streichen, Stall und Pflastersteine kärchern, Weidezäune reparieren und errichten, Milchküche und Ferienwohnung putzen, Hilfe bei der Wäsche und beim Kochen, Unterstützung bei der Kinderbetreuung. Die überwiegende Zeit war ich also direkt auf dem Hof tätig. Eine schöne Abwechslung war es dann, wenn wir zum Heu auf‘s Feld rausgefahren oder auf die Hochalm gewandert sind oder Familien- und Dorffeste besucht haben.
Dabei war ich ganz selbstverständlich in die Gemeinschaft eingebunden, immer wieder gab es aber auch Phasen, in denen ich alleine und eigenständig, mit und ohne Maschinen, gearbeitet habe. Diese Vielseitigkeit und Abwechslung habe ich als ideal empfunden.
So intensiv in Anspruch genommen zu sein, war für mich anstrengend, gleichzeitig hat es mir aber auch sehr gefallen und gutgetan, mich in eine ganz andere Umgebung und neue Abläufe einzufinden.
Dabei habe ich natürlich viel über einen landwirtschaftlichen Betrieb gelernt, aber auch über mich selbst. Mit allem, was ich bin - also „mit Kopf, Herz und Hand“ - , konnte ich mich einbringen und sah oft umgehend konkrete Erfolge und Ergebnisse: Die Tiere versorgt und zufrieden, die Milch in der Kanne, der Käse auf dem Tisch, der Aroniasaft im Kühlschrank, das Heu in der Scheune, die duftenden Kräuterkissen in der Hand, zufriedene Gäste in der Ferienwohnung… All dies war für mich greifbar, während ich mir in meinem Beruf als Lehrerin oft nicht so sicher bin, was ich nun bewirke und erreiche. Zudem vermittelten mir auf dem Hof die direkte Verarbeitung und Verwendung von Lebensmitteln und Rohstoffen (die Hackschnitzelheizung wird mit eigenem Holz betrieben, das Abwasser fließt in eine hauseigene Kläranlage) ein weitaus stärkeres Gefühl von Autarkie und Eigenständigkeit, als ich das aus meinem Alltag kenne.
Was ich neben all meinen schönen Erfahrungen und Erlebnissen mitnehme ist die Frage, wie die Existenz solcher eher kleinen Höfe mit ihrem wertvollen Beitrag zur Ernährung und zur Erhaltung von Land(-wirt-)schaft und Umwelt gesichert werden kann, ohne dass engagierte, zukunftsorientierte und experimentierfreudige Bauern und Bäuerinnen wie Beate sich zwischen mehreren Berufen und ihrer Familie aufreiben müssen. Hier fehlen sicher durchschlagende Lösungen und eine effektive Unterstützung aus Wirtschaft und Politik. Andererseits ist hier aber wohl auch jeder Einzelne von uns im Konsumverhalten gefragt und in der Bereitschaft, für regionale Lebensmittel einen Preis zu bezahlen, der dem Arbeitseinsatz der Bäuerinnen und Bauern, der ökologisch nachhaltigen Produktion und der eigenen Gesundheit angemessen Rechnung trägt.
Der Maschinenring leistet mit seinem Programm „Freiwillig am Bauernhof“ und der Vermittlung´von freiwilligen Hilfskräften auf jeden Fall beiden Seiten einen großen Dienst: Den Bäuerinnen und Bauern, die dadurch Unterstützung erhalten, sowie den Helferinnen und Helfern, denen hierdurch interessante, wertvolle und sinnstiftende Erfahrungen ermöglicht werden. Danke an den Maschinenring und ein ganz großes Danke an Beate und die anderen Hofbewohnerinnen und -bewohner für die tolle Gemeinschaft und eine unvergessliche Zeit. Ich kann allen - auch „älteren Semestern“ wie mir (ich bin 47 Jahre alt) - einen freiwilligen Einsatz als Helferin oder Helfer auf Beates Hof oder in einem anderen landwirtschaftlichen Betrieb nur wärmstens empfehlen!
Weitere Infos zu Freiwillig am Bauernhof: