Lebenserfahrung Freiwillig am Bauernhof

Erfahrungsbericht von einem „Freiwillig am Bauernhof“-Einsatz in Hatting: Helferin Victoria Mayer berichtet

Victoria schnupperte während ihres einwöchigen Einsatzes in die verschiedensten Arbeiten am Boarhof hinein

Am Hattingerberg unweit von Innsbruck liegt der „Boarhof“ von Familie Engl. Hier leben Patrick und Simone, die den Familienbetrieb vor kurzem von Patricks Eltern übernommen haben, gemeinsam mit ihren Kindern Mona und Leo und vermarkten Kalb- und Rindfleisch direkt in der Region. Patricks Eltern sowie seine Großmutter wohnen in unmittelbarer Nähe und helfen bei der Kinderbetreuung und anderen anfallenden Arbeiten im Bedarfsfall mit. Seit diesem Frühjahr werden im Rahmen von „Freiwillig am Bauernhof“ zudem freiwillige Helfer und Helferinnen aufgenommen. Als eine von ihnen durfte ich im Juli eine Woche auf dem Tiroler Bergbauernhof verbringen.

Ich bin 20 Jahre alt, studiere an der Universität für Bodenkultur in Wien und arbeite nebenbei in einem Bauernladen. Mein Interesse an der Lebensmittelproduktion hat mich in letzter Zeit bereits dreimal in unterschiedliche landwirtschaftliche Betriebe geführt, wo ich stets sehr positive Erfahrungen gemacht habe. Vorab weiß ich also ungefähr Bescheid, was mich erwarten wird, wobei die Aufgabenbereiche, Herangehensweisen und Zugänge natürlich immer individuell und hofspezifisch sind. Umso spannender ist es für mich daher jedes Mal aufs Neue, in die Praxis der Urproduktion einzutauchen. Das Wissen, das hier von Generation zu Generation weitergegeben und natürlich auch laufend adaptiert wird, entstammt unmittelbar aus Alltagserfahrungen und ist eine wertvolle und – meiner  Meinung nach – absolut notwendige Ergänzung zu der zumeist sehr theoretischen Basis aus dem Studium.

In Form von kurzen Tagebucheinträgen möchte ich im Folgenden einen kleinen Einblick in meine Erfahrungen auf dem „Boarhof“ geben:

Sonntag, 5. Juli:

Nach einer gut vierstündigen Zugfahrt aus Wien erreiche ich den Hauptbahnhof in Innsbruck, wo Simone, Leo und Mona schon mit dem Auto auf mich warten. In 20 Minuten sind wir am Hattingerberg. Hier zeigt mir Mona gleich mein Zimmer. Schon am Nachmittag lerne ich weitere Familienmitglieder kennen, die mich alle mit großer Selbstverständlichkeit aufnehmen. Dann geht es für mich zum ersten Mal mit in den Stall. Simone und Patrick sind hier ein eingespieltes Team und nehmen sich viel Zeit, um mir alles zu erklären. Nachdem Patrick untertags gemäht hat, helfen Simone und ich noch am Feld beim Aufladen des Futters.

Montag, 6. Juli:

Wie die restliche Woche auch, beginnt mein Tag um etwa sechs Uhr mit der morgendlichen Stallarbeit. Simone und ich kümmern uns vor allem um das Ausmisten und das Füttern. Da ein Teil der Rinder den Sommer auf der Alm verbringt, müssen derzeit nur fünf Kühe, die untertags sowie in der Nacht auf der Weide direkt vor dem Haus sind, und Kälber beziehungsweise Jungrinder versorgt werden. Die Tiere fressen das, was auf den umliegenden Feldern wächst, Kraftfutter kommt hier kaum zum Einsatz. Nach dem Frühstück helfe ich Patrick kurz beim Abbau eines Weidezaunes, bevor er als selbstständiger Landschaftspfleger den restlichen Tag unterwegs sein wird. Simone bringt Mona und Leo in den Kindergarten. Nach dem Mittagessen und einer kurzen Pause hole ich mit Simone Lavendelblüten aus dem Garten und sie zeigt mir, wie sie daraus Sirup macht. Anschließend helfe ich beim Rasenmähen und spiele mit den Kindern.

Dienstag, 7. Juli:

Langsam werde ich im Stall routinierter und kann zunehmend mehr Aufgaben selbstständig übernehmen, so zum Beispiel das Füttern der Kälber mit Milch oder das Verteilen von Gras, Heu und Stroh. Im Anschluss an das Frühstück befreie ich das Feld direkt vor dem Haus von Steinen, damit hier später problemlos gemäht werden kann. Zu Mittag koche ich und den Nachmittag verbringe ich mit den Kindern, bevor am Abend wieder der Stall ruft. Ein langer Tag geht zu Ende und ich gehe früh ins Bett.

Mittwoch, 8. Juli:

Nach der morgendlichen Stallroutine und dem Frühstück begleite ich Simone zum Einkaufen, bevor wir gemeinsam kochen. An sehr warmen Tagen wie diesem holen wir die Kühe schon zu Mittag von der Weide. Die Tiere wissen den schattigen und deutlich kühleren Stall sichtlich zu schätzen. Am Nachmittag kommt Besuch, und mit Seifenblasen, Frisbee und Trampolin haben die Kinder und ich  trotz großer Hitze unseren Spaß im Garten. Vor dem Abendessen steht selbstverständlich auch heute noch der Gang in den Stall am Programm.

Donnerstag, 9. Juli:

Nachdem die Tiere versorgt sind, gehe ich mit Patricks Eltern auf das Feld, um das Mähgut vom Vortag einzubringen. Anschließend putze ich die Stallfenster und koche. Heute ist ein richtiger Badetag und so begleite ich Simone und die Kinder am Nachmittag zum Schwimmen nach Hatting. Zurück am Hof gehen wir in den Stall und dann spiele ich noch eine Weile mit den Kindern im Garten, bevor wir gemeinsam essen.

Freitag, 10. Juli:

Auch heute gehe ich nach dem Stall mit Patricks Eltern auf das Feld. Den Vormittag verbringe ich mit Simone. Zunächst konfigurieren wir eine Kamera, die in Zukunft das Geschehen im Stall – insbesondere vor Geburten – aufzeichnen und ins Haus überragen soll. Dann zeigt mir Simone, wie sie eigene Hautcremen herstellt. Vor dem Kochen gehen wir eine Runde spazieren. Im Anschluss an das Mittagessen helfen wir Patrick beim Verladen eines Kalbes, nachher spiele ich mit den Kindern. Da sich schlechtes Wetter ankündigt, holen wir am Abend noch Futter für die Kühe vom Feld. Für Mona und Leo war heute der letzte Kindergarten-Tag vor den Ferien und so spielen wir vor dem Schlafengehen etwas länger als gewohnt.

Samstag, 11. Juli:

Wie unter der Woche beginnt der Tag am Boarhof auch am Wochenende um sechs Uhr im Stall. Leider haben wir das Wetter heute nicht auf unserer Seite, aber Patrick und Simone beschließen, mir dennoch die Alm zu zeigen, wo ein Teil der Tiere den Sommer verbringt. Nach etwa 40 Autominuten erreichen wir das Wallfahrtskloster Maria Waldrast, gleich darunter befinden sich die Weideflächen sowie die kleine Hütte der Almbewirtschafter, wo wir kurz einkehren. Die Tiere lassen sich wetterbedingt zwar nicht blicken, ich freue mich aber trotzdem, die Alm in ihrer wunderschönen Lage gesehen zu haben.

Sonntag, 12. Juli:

Viel zu schnell ist der Tag meiner Abreise gekommen, der in der Früh mit einer kleinen Aufregung beginnt. Unerwartet hat in der Nacht eine Kuh auf der Weide gekalbt, woraufhin das Neugeborene erst gefunden werden muss. Zum Glück sind Mutterkuh und Kalb wohlauf und können unverletzt in den Stall gebracht werden. So endet meine Woche auf dem Boarhof mit einer schönen Überraschung, wenngleich diese den Abschied nicht gerade leichter macht.

Neben der Feldarbeit war sie auch im Stall und bei der Versorgung der Tiere im Einsatz

Schon nach kurzem Einlernen konnte sie Familie Engl bei den täglichen Arbeiten unterstützen

Schon auf der Zugfahrt zurück nach Wien, weiß ich, dass mir die Woche bei Familie Engl sehr lange in guter Erinnerung bleiben wird. Ich schaue auf eine Zeit zurück, aus der ich viel mitnehmen kann. Die Herzlichkeit, mit der ich im Betrieb aufgenommen und das Selbstverständnis, mit dem ich in den Familienalltag integriert wurde, suchen ihresgleichen und haben mir einen umfassenden Einblick in das Leben und Arbeiten auf dem Bergbauernhof ermöglicht. Ich bewundere, wie Simone und Patrick Kinder, Hof und Selbstständigkeit unter einen Hut bringen und ihr Wissen mit Hingabe weitervermitteln.

Menschen wie sie leisten einen wertvollen Beitrag, die Landwirtschaft in Österreich in ihrer vorwiegend kleinteiligen und naturverträglichen Form zu bewahren und das dafür notwendige Handwerkszeug an die nächsten Generationen weiterzugeben. So bleibt mir am Ende nur danke zu sagen – zum einen ganz besonders natürlich an den „Boarhof“ selbst, zum anderen an den Verein „Freiwillig am Bauernhof“, der meinen Aufenthalt organisiert hat und dies hoffentlich in Zukunft wiederum tun wird. Denn eines weiß ich nach dieser Woche ganz bestimmt: Das war nicht mein letzter Einsatz als Helferin auf einem landwirtschaftlichen Betrieb.

Freiwillig am Bauernhof vermittelt freiwillige Helferinnen und Helfer auf Bergbauernhöfe in Nord- und Osttirol. Seit dem heurigen Jahr wird das Projekt vom Maschinenring auch in der Steiermark und in Vorarlberg angeboten. Die Freiwilligen helfen gegen Kost und Logis am Bauernhof mit und bekommen einen Einblick in den bäuerlichen Arbeitsalltag.